Gedanken in speziellen Momenten ...
... wenn es zum Beispiel grad mal ziemlich hart war ... oder so ...
16.+ 17.07.2025

Muotathal - Richisau: 22.5 km/6.5 h

Richisau - Näfels: 5 h/18 km
Die Sicht von Muotathal hoch zum Pragelpass macht nachdenklich. Da hinauf? Die Strasse, die hinüber führt, ist nicht täglich geöffnet. Darum nur wenig Werkverkehr. Viele Biker.
Das Heer von Suworow traf hier bei Muotathal auf die Franzosen. Sie verjagten den überraschten Gegner aus dem Tal. General Masséna führte seine Truppen noch zweimal gegen die Russen. Er wurde zweimal geschlagen.
An diesem Tag, am 28.09., erhielt GFM Suworow die Nachricht von der 2. Schlacht von Zürich. Erzherzog Karl war mit seinen Heer auf Anweisung Wiens nach Süddeutschland abgerückt. General Hotze war bei Schänis gefallen. General Korsakow hatte die Schlacht von Zürich schmachvoll verloren. Die Russen im Norden und die verbündeten Österreicher im Osten waren auf dem Rückzug.
Suworow stand mit seinen knapp 20'000 Mann im Kessel von Muotathal. Ohne Nachschub, ohne Munition. Um in herum standen 60'000 Franzosen. Während sich seine Nachhut unter General Rosenberg noch mit den Franzosen schlug, beschloss er, über den Pragelpass zu entweichen. Der Übergang begann am 29. September, am 30. war man am Klöntalersee.
Foto: Pragelpass
Am anderen Tag begannen die Kämpfe am Klöntalersee. Dieser war damals deutlich kleiner als heute. Der Staudamm wurde erst 100 Jahre später gebaut.
Die Franzosen wollten die Russen am See zu blockieren. Diese suchten auf beiden Seiten des Sees durchzubrechen. Kaum vorstellbar, wenn man die steilen Felswände auf beiden Seiten sieht. Man muss den Kopf gut in den Nacken legen, um oben die Bergkämme überhaupt zu sehen. Auf der linken Seite existierte ein Saumpfad, der auch für das Vieh benutzt wurde. Rechts gab es gar keine durchgehende Verbindung.
Im Laufe des Tages gelang es den Russen, die Franzosen zurückzudrängen. Diese setzten sich ab in Richtung Näfels. Die Russen folgten und nahmen am 1. Oktober Quartier in Glarus. Dann wurden beidseitig die Stellungen bezogen. In den nächsten Tagen wurde im Raum Weesen - Näfels heftig gekämpft.
Diese Gegend hat schon einige Schlachten gesehen. Nicht nur zur Franzosenzeit. Die Schlacht bei Näfels fand am 9. April 1388 statt. Die Glarner gedenken immer noch dieses Tages. An jedem ersten Donnerstag im April findet die sogenannte ,Näfelser Fahrt' statt.
Foto: Klöntalersee, mit Wasserfall
09.+ 10.07.2025

Altdorf - Biel-Kinzig, 5.5h/14 km

Biel-Kinzig - Muotathal, 6h/20 km
Die ersten 7 km führen von Altdorf über Bürglen nach Gründli. Das Schächental, die Zufahrt zum Klausenpass, scheint Porsches und Motorräder anzuziehen. Nach Bürglen röhrt es des Öfteren. Die Porsches tragen an diesem Tag Nummern aus Stuttgart (S).
Ich stelle mir vor, wie 1799 die noch 20'000 Soldaten Suworows ab Gründli einer hinter dem anderen hier hochgestampft sind. Mit zerschlissenen Schuhen und mit Hunger im Bauch. Weil der Nachschub nicht klappte. Ich trage Wanderkleidung und gute Schuhe.
Die Nacht verbrachte Suworow mit dem Heer auf der Sonnenterrase auf Biel-Kinzig. Sie hatten regnerisches Wetter und dichten Nebel. Jeder Soldat weiss: Fern der Heimat, nass und hungrig, das gibt Laune!
Die Russen werden wohl unten über verschiedene Wege hochgekraxelt sein. Aber alle Wege laufen weiter oben dann irgendwie zusammen. Ganz oben, kurz unter dem Passübergang, treffen sich dann die beiden letzten Wege. Der Train, mit den Gebrirgsgeschützen, konnte kaum den Fussweg von Gründli benutzen. Die Kuhwege waren wohl zu steil und zu schmal für das schwere und sperrige Material. Nicht zu reden von den Geschützrohren. Die gingen wohl eher den Umweg über Spirigen, weiter hinten im Tal. Mittlerweile bestand der Train mangels Maultieren zu grossen Teilen aus Kosakenpferden. Die fluchenden Kosaken wurden kurzerhand zur Infanterie umfunktioniert.
Foto: Aufstieg nach Kinzig-Kulm
Am anderen Morgen marschierte die Vorhut unter Fürst Bagration um 5 Uhr früh los. In knapp 2 Stunden waren sie auf Kulm. Bis am Mittag war der Grossteil des Heeres oben. Der Train folgte ...
Die Vorhut marschierte hinunter bis Muotathal. Das ergibt eine Höhendifferenz von 1450 Metern. Am gleichen Tag noch lieferten sie den Franzosen ein siegreiches Gefecht. Diese flohen bis nach Schwyz. kamen dann am nächsten und am übernächsten Tag unter dem Kommando des französischen General en Chef Masséna wieder zurück. Und fingen gleich noch zwei krachende Niederlagen ein. Der Kommandeur der russischen Nachhut war General Rosenberg. Dieser hatte schon die Umgehungskolonne über den Oberalppass angeführt. Zu dieser Zeit war Suworow bereits via Pragelpass am Klöntalersee angekommen.
Ich hege grösste Hochachtung für diese russischen Soldaten. Nach einem siegreichen Feldzug gegen die Franzosen in Oberitalien, der von April bis August, also 4 Monate, dauerte, wurde die Armee in die Schweiz geschickt. Sie waren bereits ziemlich erschöpft von den Kämpfen in der italienischen Sommerhitze und kannten sich in den Bergen nicht aus.
Als ich in Muotathal ankomme, beherrscht nur noch der Bus nach Arth meine Gedanken. Unterwegs etwas trinken, per Zug via Zürich nach Frauenfeld fahren und dann ins Sprudelbad liegen. Wahrscheinlich hätte mich jeder der Kindergärtner, die im Bus mitfuhren, locker verprügelt. Ich wusste noch nicht, dass ich am anderen Tag so flexibel und gelenkig sein würde wie ein gut montierter Sägebock.
Auf dem Weg zum Bus fiel mein Blick auf ein Straßenschild. 'Pragelpass' stand darauf. Na ja, nächste Woche dann ...
Foto: Quellgebiet der Muota, unten im Einschnitt geht es nach dem Dorf Muotathal.
17.+ 18.06.2025 🥵

Airolo - Hospental, 7h/21 km

Hospental - Gurtnellen 5h/22 km
Start in Airolo. Anno 1799 startete die russische Armee unter Generalfeldmarschall Suworow schon um 5.00h aus den Dörfern der oberen Leventina. Sie mussten sich damals allerdings den Weg auf den Pass gegen die Franzosen freikämpfen.
Um 13:00h bin ich auf dem Pass (2100m ü.M.), Essen bei GFM Suworow, seinem Führer Antonio Gamba aus Taverne und ihrem Pferd auf dem Gotthard. Suworow übernachtete im Hospiz. Ich marschiere weiter. Der GFM war damals 70 Jahre alt, geradezu ein Jungspund, gemessen an mir.
Es waren um die 15'000 russische Soldaten, die als Hauptarmee den Gotthard überqueren wollten. Mit einem Tag Vorsprung marschierten weitere knapp 8'000 Soldaten unter General Rosenberg durch das Bleniotal über den Lukmanier nach Disentis. Sie stiessen am anderen Tag dann wieder via Oberalp zum Hauptheer.
Auf dem Weg nach Hospental muss ich eine Viehherde passieren, inklusive Warnschild 'Achtung: Mutterkühe mit Kälbern'. Ich schaue ernst, klopfte wichtig mit dem Stock auf die Steine und mache dann doch lieber einen Umweg um die Herde. Bauern sah ich keine. Die wälzten sich wahrscheinlich lachend hinter den Büschen.
Dann frisch geduscht Nachtessen in der Jugi in Hospental mit Toni aus Luzern (65) und Quirin aus München (35+). Älplermagronen, ein Festessen nach dem Passübergang. Suworow erhielt seinerzeit nur eine Erbsensuppe auf dem Hospiz. Der Altersdurchschnitt in der Jugi ist diese Nacht deutlich über 30 Jahren.
Foto: Val Tremola
Am anderen Morgen, beim Frühstück, fragt mich Toni, ob ich den Vortag noch in den Beinen spüre. Ich grinse spöttisch: "Natürlich nicht! Ich könnte glatt einen Cupfinal spielen." Quirino grinst auch, auch spöttisch, aber anders spöttisch. Er ist so fit wie ein alter Turnschuh.
9:00h ab Andermatt geht es in die Schöllenenschlucht. Das Reusstal ist gigantisch. Die Felsen erschlagen den Betrachter fast. In diesem Gelände haben sich die Russen und die Franzosen gefetzt. Mit Umgehungsmanövern und einem Kampf auf der Teufelsbrücke. Grössten Respekt allen Beteiligten, inklusive aller Pferde und Maultiere. Wenn man sich deren Ausrüstung vorstellt...! Beim Suworowdenkmal halte ich an und schenke dem 'Fürsten Italiski' eine Viertelstunde.
Dann quäle ich mich weiter das Reusstal hinunter. Die an sich gut gedachten Stein- und Holztreppen schlagen böse auf die Gelenke und in die Muskeln. Ich juble jedes Mal, wenn wieder eine kleine Gegensteigung kommt. Trotz blauem Himmel ist es nicht sehr heiss, dem Wind sei Dank.
Teilweise wird auf den Verbauungen das Heu eingebracht. 'Wildheuet' auf moderne Art. Nur mit kleinen Maschinen möglich. Wie mir der Bauer lachend bestätigt. Die halbwüchsigen Söhne schauen mürrisch und frustriert hinter mir her.
Sowohl in Airolo wie auch in Göschenen sieht man die beiden grossen Baustellen für die zweite Autobahn-Gotthardröhre.
Foto: Hauswurz

17.06.2024 🥵
St.Gallen - Altstätten, 6.5h/21 km

Schönes Wetter, erst sonnig, dann windig. Die Strecke ist lang, wird immer schwerer und zunehmend schmerzhaft.
Erst die Klosterkirche in St.Gallen besuchen, dann ab in die Hügel. In der Stadt schlecht markierte Strecke. Mehrere Umwege, auch wegen Baustellen.
Dann geht es über Wiesen, Felder und durch Wälder. Schöne Strecke. Irgendwann marschiere ich durch Heiden, wo Henry Dunant sein Museum hat. Ich nehme mir vor, dies einmal zu besuchen. Irgendwann ...
Das Appenzell zeigt mir seine schöne Seite und dazu ein paar Umwege. Die Etappe wird immer länger und härter.
Bei einer Verzweigung bin ich ratlos. Ich winke dem Bauer auf dem Traktor. Er hält wirklich und schreit über den Lärm des Leerlaufs: "Hä!" "Geht's da nach Altstätten oder da?", schreie ich zurück. "Jäh, zu Fuss?", fragt er. Aber er kennt den Weg. Erst rauf, dann runter. Das mache ich.
Plötzlich stehe ich auf einer Kuhweide. Bis zu den Knöcheln im Sumpf und Morast. Die Herde interessiert sich für mich und bewegt sich in meine Richtung. Und die Kühe tragen Hörner und werden von Kälbern begleitet. Ich benutze meinen massiven Stock. Allerdings nur, um den Stacheldraht niederzudrücken. Dann werfe ich erst den Rucksack und dann mich selbst hinüber. Bei der Landung denke ich an den Arzt, der mir meine neue Hüfte eingesetzt hat. Und an seine Ratschläge, was ich nicht tun soll. Aber von angreifenden Kuhherden war nie die Rede.
Die letzten fünf Kilometer gehen an die Substanz. Drei Kilometer steil abwärts. Am Ufer eines teilweise erschlossenen Wildbaches. Dann durch Altstätten, zwei Kilometer Asphalt an der prallen Sonne. Am Bahnhof fühle ich mich ausgedörrt. Reichts wohl zuhause noch für ein Sprudelbad?

30.08.2023 🥵
Einsiedeln - Brunnen, 7h/24 km

Sehr schönes Wetter, blauer Himmel, 9:00h Start in Einsiedeln.
Immer gegen den Lauf des kleinen Fluss 'Alp'.
Schöne Strecke in der Ebene. Ich beginne zu hüsteln, der Hals kratzt, die Nase läuft, die Augen brennen.
Hinter Alpthal (1018 m) geht es los. Steil hinauf, bis Haggenegg (1415 m), dem höchsten Punkt des Jakobsweges in der Schweiz.
Oben Mittagspause, Verpflegung aus dem Rucksack. Es wird jetzt immer heisser. Trinken, viel trinken.
Dann falsch eingespurt, nach unten bis Schwyz (515 m) alles auf Asphalt, Kopf immer heisser. Mich plagt wohl eine leichte Sommergrippe.
Von Schwyz über die Ebene nach Brunnen, im Rücken die Mythen. Pralle Sonne, der Wanderweg wird immer länger.
Ein Bus nach dem anderen fährt auf der parallelen Hauptstrasse an mir vorbei. Voller Verachtung schaue ich den Benzinschleudern nach und lächle spöttisch. Innerlich fluche ich und betitle mich selbst: "Idiot!"
Am Bahnhof in Brunnen merke ich, das mein Handyakku leer ist, ich kann kein Billet lösen.
Ein 'Bähnler' hilft mir, auf gute, alte, konventionelle Art zu lösen. Er schaut mich dabei nachdenklich und etwas skeptisch an.
"Wollen Sie nicht lieber 1.Klasse lösen? Wenigstens bis Zürich? Dann haben Sie sicher einen Sitzplatz und können die Beine ausstrecken!", empfiehlt er mir fürsorglich. Er spricht langsam und eindringlich. Ich nicke, hätte alles gemacht, was er mit vorschlägt. Will nur noch Ruhe, eine kühle Umgebung, will nur noch sitzen. Bin restlos bedient!
Zuhause gehe ich in die Badi, sprudeln. Ich wäre am liebsten die ganze Nacht im Bassin dringeblieben.
Das war meine bisher härteste Etappe.